Aktionen und Veranstaltungen
10 Erkenntnisse - unsere DNA
Ein erstes großes Netzwerk-Treffen des d-n fand am 14. Dezember 2019 in Hannover statt. Daraus entstanden zehn Erkenntnisse.
1. Die Dramaturgie ist die Abteilung, an der Überproduktion und der Wandel und Anwuchs der Aufgaben und Ambitionen der Theater am deutlichsten werden bzw. am besten deutlich gemacht werden können. Sie puffert strukturelle und finanzielle Mängel auf, weil ihr Aufgabenfeld „unsichtbar“ ist. So gerät das Selbst- und Fremdbild von Dramaturg*innen ins Wanken, ihre Tätigkeit verliert an Wert und Anerkennung.
2. Die Kernaufgaben von Dramaturg*innen können und müssen (neu) definiert und diskutiert werden. Dazu gehören: Produktionen begleiten und sie inhaltlich vorbereiten: lesen, recherchieren, Festivals inhaltlich füttern und programmieren, mit dem Publikum in Kontakt treten, mit Verlagen und Leitung kommunizieren, Sonderveranstaltungen und Rahmenprogramme planen und durchführen, freie Gruppen und andere Theaterästhetiken kennenlernen, reflektieren und ggf. einladen. Die Welt und unsere Zeit wahrnehmen und analysieren.
3. Dramaturg*innen brauchen mehr personelle Unterstützung in Form von Kolleg*innen, Sekretariaten, bezahlten Hospitant*innen und festengagierten Assistent*innen sowie Projektmanager*innen. So gewinnen sie Zeit für ihre Kernaufgaben.
4. Dramaturg*innen benötigen außerdem mehr bezahlte Arbeitszeit für ergebnisoffenes Arbeiten. Anwesenheitspflicht muss an den Häusern oder im Vertrag ggf. gelockert und in Frage gestellt werden. Offene, multifunktionelle Räume aber auch Rückzugsmöglichkeiten zum Denk-Arbeiten können hier helfen.
5. Dramaturg*innen benötigen mehr Zeit für Regeneration: Pausen im Tagesgeschäft, innerhalb der Woche und nach Endproben. Dramaturg*innen benötigen diese Pausen vom Produktionsdruck, um kreativ und künstlerisch hochwertig arbeiten zu können. Daher brauchen wir eine Auseinandersetzung über flexible und dennoch verbindliche, überprüfbare Arbeitsrichtlinien.
6. Weniger ist mehr: Die selbstverständlich gewordene Überproduktion an Theatern muss abgebaut werden. alternativ mit der entsprechenden personellen Unterstützung aufgefangen.
7. Das Paradigma der Dramaturgie schwebt in der Freien Szene aufgrund der Fördermittelvergabe über allem. Dieser künstlerische wie existentielle Legitimationsdruck bedingt zugleich neue ästhetische, formale dramaturgische Ansätze. Die Freie Szene ist also ein Motor für Dramaturgien der Zukunft. Wir fordern transparentere Fördervergabeverfahren mit niedrigschwelligem Zugang jenseits von Antragsprosa und Unisprech; mehr Räume und Gelder für Recherchestipendien und Residenzen, Reformen in der Fördermittelstruktur weg von Projektförderungen hin zur Konzeptförderung. Wir möchten in Arbeitszusammenhänge mit Stadttheatern treten. Freie Dramaturg*innen und Stadttheaterdramaturg*innen bilden die Nahtstelle für eine gelingende Zusammenarbeit, wenn die in Punkt1-6 geforderten Arbeitsbedingungen geschaffen werden.
8. Theater sind immer noch deutlich weiß und männlich geprägte Orte mit hohen Zugangsbarrieren. Das entspricht nicht der Gesellschaft, von der es gefördert und für die es produziert wird. Kontinuierliche Weiterbildung und Reflexion sowie die Förderung benachteiligter Personengruppen helfen, Rassismus und andere ausschließende Strukturen zu bekämpfen. Das dramaturgie-netzwerk unterstützt die Arbeit der Initiative für Solidarität am Theater.
9. Theaterleitungen haben großen Einfluss auf das künstlerische Profil ihrer Häuser. Machtfülle, Sachzwänge und mangelnde Qualifikationen erschweren es Leitenden häufig, zum Wohle der Kunst und der Mitarbeitenden zu agieren. Leitungsfindungsprozesse müssen transparent, kriteriengeleitet, informiert, unter Berücksichtigung der Stimmen der Mitarbeitenden ablaufen. Versuche mit neuen Leitungsmodellen werden von Dramaturg*innen begrüßt und unterstützt. Führungspersonal am Theater muss für entsprechende Positionen und Aufgaben qualifiziert sein und sich kontinuierlich fortbilden. Leitungen müssen Verantwortung abgeben und sich zugleich für ihre Mitarbeitenden verantwortlich fühlen.
10. Dramaturg*innen sind Künstler*innen des Denkens. Mit einem solchen Selbstverständnis soll eine organisierte Zeit für ergebnisoffene Arbeit einhergehen. Ein Arbeitsprofil für Dramaturg*innen muss deshalb Freiräume als Selbstverständlichkeit enthalten, so dass Dramaturg*innen nicht stetig in Produktionen gebunden sind, sondern ihnen Zeit für die selbstorganisierte, ergebnisoffene, kreative Suche nach Interessen, Themen, Formen, Konzepten bleibt.
Umfrage
UMFRAGE FÜR DRAMATURGIE-STUDIERENDE – konzipiert von Ana Edroso Stroebe, Hannah Mey und Sarah Heinzel aus der AG Ausbildung.Hochschule.Weiterbildung des dramaturgie-netzwerks 2021/2022.
Was ist die Kompetenz einer*s Dramaturg*in in der Ausbildung? Auf welchem Dramaturgieverständnis beruht die Hochschulausbildung? Wie werden die Dramaturg*innen der Zukunft ausgebildet?
Dramaturgie als Tätigkeit ist immer im Wandel und oft gehen Ansprüche der Theater, der Hochschulen und der Studierenden weit auseinander. Wir in der AG Ausbildung.Hochschule.Weiterbildung finden: Wer das Berufsbild schärfen und verändern will, der muss schon bei den Hochschulen anfangen! Deshalb haben wir Studierende der Dramaturgie und junge Dramaturg*innen, die ihr Studium innerhalb des letzten Jahres abgeschlossen haben, gefragt, wie sie ihr Dramaturgie-Studium wahrnehmen, welche Lehrinhalte ihnen am wichtigsten sind, was gut funktioniert und was ihnen fehlt. Wir wollten herausfinden, wie und unter welchen Bedingungen Dramaturgie gelehrt wird undwelches Selbstverständnis von „Dramaturgie“ dahinter steckt. Die Antworten sollen helfen, einen Überblick über die Ausbildung im deutschsprachigen Raum zu gewinnen, um auf Grundlage dessen Forderungen für die Zukunft derDramaturgie abzuleiten.
Hier gehts zu den Ergebnisse der Umfrage.
Dramaturgie denkt Corona - ein digitaler Konferenzraum
In ungewissen Zeiten boten wir mit DRAMATURGIE DENKT CORONA eine ermutigende Online-Gesprächsreihe an, in der Sorgen Gehör fanden, lang brennende Kritik ihren Platz hatte und neue Ideen fürs Theatermachen während und nach Corona wachsen konnten.
Wer soll denn jetzt noch bzw. zukünftig wieder ins Theater gehen? Wie können wir den Moment nutzen, um in Zukunft die Arbeitssituationen zu verbessern? Welche Themen, Formen und künstlerischen Experimente sind möglich oder gar geboten? – zu diesen und anderen Fragen versammelten sich in unserem digitalen Konferenzraum Dramaturg:innen und Artverwandte, Expert*innen aus Wissenschaft und Denker:innen der Praxis.
In Kooperation mit der Dramaturgischen Gesellschaft und unserer „Mutter“, dem ensemble-netzwerk, entstand an fünf Terminen von Juni bis Oktober 2020 – wechselnd zwischen Plenum und Breakout-Sessions – eine wichtige Anlaufstelle und Plattform für Austausch, Diskussion und Voneinander-Lernen.
TERMINE UND GÄSTE
Erster Teil: Programm
Mittwoch 10.6.20, 18 Uhr, 90 – 120 Minuten
Christiane Hütter ist eine Weltenbauerin. Mit den Mitteln von Storytelling und Game Design analysiert, designt und hackt sie soziale Systeme. Sie arbeitet interdisziplinär und gerne in Kollaboration, entwickelt ortsspezifische Spiele und partizipative Formate und überwindet dabei Branchengrenzen.
Christian Römer ist bereits seit 2011 in der Heinrich-Böll-Stiftung für den Bereich Kultur und Neue Medien zuständig. Er ist spezialisiert auf die Entwicklung neuer Konferenzformate – wie z.B. die Konferenz „Theater und Netz“.
Zweiter Teil: Publikum
Mittwoch 17.6.20, 18 Uhr, 90 – 120 Minuten
Leyla Ercan studierte Anglistik, Amerikanistik, Germanistik und Sozialpsychologie. Sie ist Agentin für Diversität am Staatstheater Hannover, zuständig für die diversitätsorientierte Personal-, Programm- und Publikumsentwicklung.
Achim Müller, Volkswirt und Kulturmanager, leitete das Zentrum für Audience Development an der Freien Universität Berlin, heute Direktor Forschung und Projektmanagement am Berliner Institut für Kultur und Medienwirtschaft (IKMW).
Dritter Teil: Personal
Mittwoch 24.6.20, 18 Uhr, 90 – 120 Minuten
Katrin Hiller war nach einem Studium der Soziologie und Neuen deutschen Literatur in Hamburg sowie der Theaterregie an der Folkwang-Hochschule Essen u.a. als Produktionsleiterin und Regisseurin in Schauspiel und Musiktheater tätig. Ihr Fokus verlagerte sich zunehmend in den Bereich Produktion: im stehenden Haus, für Festivals und in der freien Szene. Nach einer Tätigkeit als Referentin der künstlerischen Direktorin des Burgtheater Wien absolvierte sie im Rahmen einer Bildungskarenz Zertifikatskurse in den Bereichen Personal- und Organisationsentwicklung und geht zur Zeit einer beratenden Tätigkeit nach, ob im Rahmen von Workshops und Führungsseminaren oder als Vortragende (u.a. für die OETHG) und im Bereich Produktion von freien Projekten.
Adil Laraki ist seit 2003 GDBA-Landesverbandsvorsitzender NRW, seit 2002 Betriebsratsvorsitzender der Theater & Philharmonie Essen GmbH, Mitglied des WDR-Rundfunkrats und Mitglied des Aufsichtsrats der Film- und Medienstiftung NRW. Der studierte Bühnentänzer war u. a. am Staatstheater Hannover und beim Essener Ballett engagiert.
Vierter Teil: Was nun?
Mittwoch 1.7.20, 18 Uhr, 90 – 120 Minuten
Was fehlt, was fällt auf, was bleibt? dramaturgie-netzwerk heißt Banden bilden: Wer denkt und arbeitet mit wem woran weiter?
Fünfter Teil: Wie arbeiten wir zusammen
Mittwoch, den 07.10.20, 18 Uhr, 120 Minuten
Um die gemeinsame Energie und die Erkenntnisse aus den vorsommerlichen DDC-Teilen in konkrete und dauerhafte Zusammenarbeit zu überführen, stellte sich das d-n als neue, erweiterte Bande auf. Der Discord-Server als Info-Hub und Arbeitsplattform wurde erforscht, AGs vorgestellt und gebildet und Interessierte ongeboardet für die weitere Arbeit an Themen und Aktionen.
Bisherige Veranstaltungen:
Wozu Theaterleitung? - Wie andere Organisationsformen am Stadttheater möglich wären!
Online-Vortrag + anschließende Diskussion
Montag, 22. März 2021
18:00 Uhr bis ca. 20:00 Uhr
Die Rolle von Theaterleitern [sic] wurde schon vor über 100 Jahren scharf kritisiert, Modelle demokratischer Mitbestimmung von Seiten schauspielerischer Gewerkschaften gefordert, erprobt – und zum Irrweg erklärt. Aber welche früheren Ideen und Kämpfe sollten heute – vor dem Hintergrund „im wahrsten Sinne des Wortes asozial[er]“ Leitungsentscheidungen – wieder diskutiert werden? Und was muss heute – ohne die damals begleitenden gesamtgesellschaftlichen revolutionären Bewegungen – anders gedacht und gemacht werden?
Der Vortrag gibt schlaglichtartig Einblicke auf zwei Ebenen: Es sollen einerseits Typen soziologischer Organisationsmodelle vorgestellt werden, die auf sehr unterschiedliche Weise die Fragen nach Leitung, Hierarchien und Verantwortungsverteilung beantworten, konkret etwa im Hinblick auf Einstellungen und Kündigungen von Mitarbeiter*innen. Andererseits sollen konkrete Versuche eines ‚antiautoritären’ (Stadt-)Theaters in der BRD ab 1968 sowie ergänzend Ideen „sozialistischer Gemeinschaftsarbeit“ im Theater der DDR kennengelernt werden. Welche Aspekte der Ensembleemanzipation gegenüber einer allein verantwortlichen Theaterleitung erscheinen heute anwendbar? Inwieweit könnten demokratisch-kollektivistische Organisationsmodelle innerhalb von Theaterbetrieben funktionieren?
Im Anschluss laden wir euch zu einer Diskussion und zu weiteren Fragen ein. Wie können wir als Dramaturg:innen an der Systemveränderung der öffentlichen Theater mitarbeiten?
Die NV-Bühne-Lesenacht - Das dramaturgie-netzwerk lädt zur Pyjamaparty
Als „ nicht tagesplan-abhängig arbeitende NV-Bühne-Solo-Angestellten“ lernen wir unseren Arbeitsvertrag kennen! Den berüchtigten Normalvertrag Bühne. Und weil der mehr als 100 Seiten umfasst, nehmen wir uns gleich einen ganzen Abend Zeit dafür. Mit Decken, leckeren Snacks und Tee machen wir es uns gemütlich und stöbern uns durch viele Seiten Papier.
Was leuchtet uns ein? Was verstehen wir gar nicht? Wo finden wir Widersprüche oder Lücken? Geplant ist zudem, dass wir unsere offenen Fragen im Nachhinein an Expert*innen weitergeben, die uns hoffentlich mit Rat und Tat zur Seite stehen. Damit die Party nicht zu kurz kommt, haben wir uns kleine Spiele und Aktionen für zwischendurch überlegt. Und wir wären natürlich keine Dramaturg:innen, wenn wir nicht auch aus dem NV-Bühne eine Strichfassung erstellt hätten.
Wann: Am 5. Februar 2021, ab 18 Uhr bis zum spooky Mitternachts-Special!
Wo: Bei dir zu Hause am Bildschirm, über Zoom
Dresscode: Schlafanzug, Nachthemd, Jogginanzug etc.
Ihr braucht: Strom, WLAN, Laptop, Bleistift, Proviant, Decken und Durchhaltevermögen
Let's talk: Dramaturg:innen-Lagerfeuer auf Zoom am 17.11. - in Zusammenarbeit mit der Dramaturgischen Gesellschaft
Dies sind schwierige Zeiten, und wir alle werden durchgeschüttelt. Lasst uns reden. Lasst uns austauschen: Wie geht´s Euch, was ist bei Euch am Haus los, was passiert bei den anderen?
Zusammen mit der Dramaturgischen Gesellschaft laden wir zum virtuellen Lagerfeuer, am Dienstag, 17.11., 18-20 Uhr.
Bitte meldet Euch bis 13.11. bei unseren Kolleg:innen der DG unter post@dramaturgische-gesellschaft.de an, dann bekommt ihr den entsprechenden Zoom-Link.
In kleinen Gruppen tauschen wir uns aus – manchmal hilft es ja schon zu hören, wie es anderswo läuft, so wie bei unserer digitalen Reihe DDC im Frühjahr.